Freitag, 17. Juli 2020

Neurophysiologische Hintergründe für eine mögliche Trauma Entwicklung in der frühen Kindheit

Außer Frage steht heute, dass ein Zusammenspiel von Körper, Geist und Seele unsere biologischen Systeme beeinflussen und einstellen. Alle biologischen Systeme des Körpers interagieren fein abgestimmt miteinander und passen sich dabei den Bedingungen an, dem ein Mensch von außen und innen ausgesetzt ist und in dem er sich entwickelt. Das kann zum Besseren oder zum Schlechteren sein und die Ursprünge werden bereits in der Kindheit gelegt.


Treten externe oder interne Bedrohungen für den Körper auf und lösen eine Stressreaktion aus, interagieren mehrere Systeme des Körpers gleichzeitig,um diesen zu schützen. Jedes dieser Systeme besitzt eine spezielle Aufgabe und Fähigkeit, die die anderen Systeme unterstützt und ergänzt, um als Ganzes in der Lage zu sein, schüztend zu reagieren. Diese fein abgestimmten, interagierenden Systeme des Körpers regulieren die Gehirnaktivität, den Schlaf, Herz- und Lungenfunktion, Verdauung, Energieerzeugung und Infektionsbekämpfung und sind eng miteinander verbunden. Dadurch beeinflussen sie die Entwicklung des jeweils anderen interagierenden Systems. Bei einem biologischen System handelt sich also um ein sich wechselseitig beeinflussendes System von Reiz-Bewertung und Reaktion. Jeder menschliche Körper orientiert sich mit Hilfe seiner Sinne in seinem Umfeld, sammelt Information, bewertet diese, um sich auf eine für das System best mögliche Antwort und Reaktion vorzubereiten. Durch eine Rückkopplungsschleife sind die Systeme miteinander verbunden und interagieren. Ein Körper, der sich bereits in einem Stresszustand befindet, hat den Vorteil, schneller auf von außen eintreffende Reize reagieren zu können. Der erste Schritt hierfür stellt die Entzündungsreaktion dar, die dem Körper dazu dient, schneller das körpereigene Immunsystem aktivieren zu können. Aus biologischer Sicht ist dies zunächst eine sinnvolle Überlebensstrategie. Wenn die Welt ein gefährlicher Ort ist, müssen sich die internen Systeme, die uns schützen sollen, so entwickeln, dass Bedrohungen möglichst schnell antizipiert werden und der Körper sich schnellstmöglich schützen kann. Dabei hängt die Stressreaktion eng mit der Bewertung und Einschätzung einer möglichen Bedrohnung für den Körper zusammen.

Um mögliche äußere Gefahren und Bedrohungen schnell erkennen und darauf entsprechend reagieren zu können, richtet sich die Aufmerksamkeit nach Außen. Diese Systeme, dauerhaft angeschaltet, justieren sich auf ein höheres Aufmerksamkeits- und Stressniveau ein und lassen sich danach nicht so einfach wieder abschalten. Die Umgebung in der wir uns befinden - und wie wir sie bewerten - und die wir für unsere Schülerinnen und Schüler schaffen und die Erfahrungen, die wir ihnen bieten, beeinflussen maßgeblich das sich entwickelnde Gehirn, aber auch viele andere physiologische Körpersysteme wie das Herz-Kreislauf System, die Immunreaktion des Körpers und die metabolische Regulation. In ihrer Gesamtheit zeigen sich all diese Faktoren verantwortlich für eine lebenslange Gesundheit, das Wohlbefinden und die Stressreaktion des Körpers. Eine Aufsummierung und anhaltende Problemsituationen in der Kindheit (insbesondere in der frühen Kindheit) können diese biologischen Systeme physiologisch jedoch dauerhaft schädigen. Dies kann langanhaltende Folgen haben, wenn in der Kindheit häufige intensive oder dauerhafte Stressreaktionen aktiviert werden. 

Mann muss sich das so vorstellen, als würden sich bei den Genen ein Schalter umlegen, der zu dauerhaften Stressreaktionen führt, die den gesamten Körper in Achtsamkeit auf mögliche Gefahren und Stressoren versetzt und dadurch schneller und leichter in Gefahrensituationen aktivieren lässt. Der gesamte Körper läuft dann in einem Zustand, der vergleichbar ist mit dem Zustand, wenn beim Fahren eines Autos gleichzeitig Vollgas gegeben wird, während man gleichzeitig auf der Bremse steht. Diese dauerhaft aktivierte Stressreaktion verbraucht viel Energie und erzeugt massive Kosten für den Körper und die Gesundheit. Im Laufe der Jahre führen wiederholte Aktivierungen zu einem höheren Risiko für mit Stress verbundene Krankheiten. Dazu zählen zunächst eine erhöhte Entzündungsreaktion des Körpers und deren Folgeerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes, Atemwegs- und immunologische Erkrankungen, Arthritis, Magen-Darm-Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, verschiedene Krebsarten, Depressionen, Alzheimer und eine Reihe weiterer psychischer Probleme. Ein Immunsystem, das nicht auf einem ausreichend hohen Niveau arbeitet, ist nicht in der Lage, schwere Infektionen abzuwehren, aber eines, das hyperaktiv ist, kann den Körper mit krankheitserregenden Entzündungen überschwemmen, die zu vielen der oben aufgezählten Krankheiten beitragen. 

Das muss nicht zwangsläufig so sein, wir sind in der Lage durch verschiedene Verhaltensweisen Wohlbefinden und Resilienz für unseren Körper herzustellen, indem wir wissen oder lernen, was unserem Körper gut tut und Selbstmitgefühl üben, indem wir uns selbst gegenüber eine wohlwollende, liebevolle innere Haltung einnehmen und umsetzen, was uns gut tut. 

Die ACE Studie konnte signifikant nachweisen, das dauerhaft anhaltende Widrigkeiten in der Kindheit und deren Summierung zu schlechter Gesundheit bis hin zu frühzeitigem Versterben führen können, weil Mechanismen des Selbstschutzes gelernt werden, die dem Körper kurzfristig zwar helfen, dauerhaft jedoch eher schaden und belasten. Die ACE Studie konnte signifikant belegen, dass Kindheitstraumata in Folge spätere gesundheitliche Probleme nach sich ziehen. Kinder entwickeln, wenn sie in Familien mit anhaltenden Problemen und Widrigkeiten aufwachsen und keine angemessene begleitende Unterstützung erhalten, im Erwachsenenalter Krankheiten, die auf eine anhaltende Stressreaktion zurückzuführen sind.


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